Wider alle Vorurteile – Zeitzeugen-AG besucht das Epilepsiemuseum in Kork

Ein einzigartiges Museum, das nur wenige Minuten von Kehl entfernt liegt? Wer an den Gang über die Grenze nach Straßburg denkt, liegt hier falsch. Die Rede ist vom Epilepsiemuseum in Kork, das sich im gleichen historischen Gebäude wie das Handwerksmuseum befindet. Vergangene Woche hat die Zeitzeugen-AG am Einstein-Gymnasium das Museum besucht und erhielt von dem Museumsgründer, Dr. Hansjörg Schneble, eine eindrucksvolle Führung. Für ihn ist die Auseinandersetzung mit der Krankheit nicht nur eine theoretische Beschäftigung, sondern auch gelebte Praxis gewesen: Viele Jahre war er Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche am Epilepsiezentrum Kork.

Ein besonderes Anliegen ist es ihm, über die Vorurteile aufzuklären, die bis heute mit der Epilepsie verbunden sind. Das hängt nicht zuletzt mit den sichtbaren Auswirkungen der Krankheit zusammen. Auch wer heute sieht, wie ein Mensch einen großen epileptischen Anfall erlebt, bleibt von diesem Anblick kaum unberührt: Versteifung, Sturz, Zuckungen, Speichelfluss, Einnässen und Bewusstlosigkeit – jede Hoffnung auf Heilung scheint vergeblich. Und doch ist die Epilepsie grundsätzlich heilbar wie überhaupt die (chronische) Krankheit an sich sehr vielschichtig ist und sich keineswegs nur in „großen Anfällen“ ausdrücken muss. Ihre angebliche Unheilbarkeit ist dagegen nur eines von vielen Vorurteilen, die Hansjörg Schneble anschaulich und nachvollziehbar bei der Führung widerlegen konnte.

Im Laufe der Jahrhunderte mussten sich die Erkenntnis des Krankheitsbildes und die Methoden einer Therapie allerdings erst allmählich durchsetzen. In den 1000 Namen, die Herr Schneble zusammengetragen hat, drücken sich oft Abwehr und Furcht als auch vermutete Ursachen aus, z.B. in Form des Mondes, böser Dämonen oder auch einer göttlichen Strafe. Einer der ersten Menschen, der diesen Aberglauben überwand, war der berühmteste Arzt der Antike: Hippokrates nahm bereits an, dass der Ursprung der Krankheit nicht heilig, sondern natürlich war, und dass der Anfall seinen Ausgang im Gehirn nimmt.

Bis heute hält sich dagegen die Vorstellung, dass eine Epilepsie gleichbedeutend sei mit einer Geisteskrankheit. Auch das ist ein Vorurteil: „Menschen sind nicht geisteskrank, weil sie eine Epilepsie haben“, hält Hansjörg Schneble fest. Das widerlegt schon die Galerie der an Epilepsie leidenden Prominenten, die er im Epilepsiemuseum versammelt hat, z.B. der russische Dichter Dostojewski oder der Maler van Gogh.

Durch sechs Räume und zwei Stockwerke führte Hansjörg Schneble die Schüler, erklärte exemplarisch an vielen Exponenten die Welt des Krankheitsbildes Epilepsie. Dabei wurde deutlich, wie der Umgang mit der Epilepsie, ihren Erscheinungsformen und Heilmethoden immer ein eindrucksvoller Spiegel der jeweiligen Zeit sein kann – und ihrer Vorurteile: Als Erbkrankheit angesehen (was die Epilepsie nicht ist) wurden z.B. noch im „Dritten Reich“ zehntausende epilepsiekranke Behinderte, darunter auch Bewohner der Korker Anstalten, ermordet. Medikamente, so kann Hansjörg Schneble auch aus der Praxis berichten, können heutzutage vielen Patienten ein anfallfreies Leben ermöglichen. Das Stigma jedoch, das der Krankheit immer noch anhaftet, lässt sich auf diesem Weg schwer beseitigen. Dazu bedarf es einer gesellschaftlichen Aufklärung. Einen Gang ins Epilepsiemuseum nach Kork kann man in diesem Sinne jedem empfehlen.

Das Deutsche Epilepsiemuseum Kork ist immer sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. Weitere Informationena auf der Homepage des Museums.

 [HBR]

Zeitzeugen-AG Epilepsie-Museum