Diesen
Dienstag fand in der Aula des Schulzentrums die Veröffentlichung der zweiten
Zeitzeugen-CD statt. Damit hat die Kooperation von Stadtarchiv und der
Zeitzeugen-AG am Einstein-Gymnasium zum zweiten Mal dazu geführt, dass eine
CD-Box mit Erinnerungen von über 80 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zur Kehler
Geschichte entstanden ist
Die
Veröffentlichung der Audio-Collage „Kindheit und Jugend 1919 bis 1938 – Kehl
erinnert sich“ wurde begleitet von Grußworten und Vorträgen:
Einstein-Schulleiter Dominikus Spinner begrüßte die Gäste, darunter viele
Zeitzeugen und Angehörige, in der vollbesetzten Aula. Kehls Oberbürgermeister
Toni Vetrano als auch Hans-Ulrich Müller-Russell, Vorsitzender des Historischen
Vereins Kehl, würdigten die besondere Leistung von AG-Leiter Uli Hillenbrand
und seiner Schülerinnen und Schüler. Ute Scherb, die Leiterin von Archiv &
Museum der Stadt Kehl, rahmte die Veröffentlichung mit einem zeithistorischen
Vortrag ein. „Einstein“-Lehrer Uli Hillenbrand stellte die CD-Box schließlich
anhand kleiner Hörproben vor. Zum Abschluss moderierte die AG zwei Interviews
mit den Kehler Zeitzeugen Hildegard Jund und Hans Heß. Beide erlebten als
Kinder auch die erschütternden Ereignisse der Reichspogromnacht am 9./10. November
1938: Die Veröffentlichung war zugleich eine Gedenkveranstaltung an jenes
Ereignis, das den Beginn einer neuen Phase in der Verfolgung der jüdischen
Minderheit im Deutschen Reich darstellte.
Finanziell gefördert wurde das Projekt vom Kulturbüro der Stadt Kehl,
vom Historischen Verein Kehl als auch vom schuleigenen Förderverein des
Einsteins. Auch die Kehler Zeitung berichtete ausführlich über die
Veröffentlichung.
Die vierteilige CD-Box „Kindheit und Jugend 1919 bis 1938 – Kehl erinnert sich“ kostet 10 Euro und ist erhältlich bei der Buchhandlung Baumgärtner und beim Hanauer Museum.
Zum Hintergrund der Zeitzeugen-CD:
In
den vergangenen Monaten wurden von der AG des Einstein-Gymnasiums über 80
Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu ihren Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend
befragt. Der Großteil der Interviewten wurde in den 20er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts geboren, die älteste Zeitzeugin sogar im Jahre 1919. Die
Zeitzeugen stammen nicht nur aus der Stadt Kehl, sondern auch aus den
ehemaligen Gemeinden des früheren Landkreises Kehl, zum Beispiel aus Diersheim,
Leutesheim oder Bodersweier. Die
Erinnerungen der Hörcollage handeln somit vor allem vom Alltag der Zeitzeugen
vor Ort, von Erlebnissen in der Kinderschule in Stadt und Dorf, von ihren
Lehrern in der Volksschule, von Streichen und alten Kinderspielen auf der
Straße, von ihren Erlebnissen an Altrhein und Rhein, an Kinzig und Schutter, im
Hafengebiet oder auf der „Insel“. Die Befragten erinnern sich zum Beispiel auch
an die Arbeit ihrer Eltern oder an alte Kehler Geschäfte, die längst nicht mehr
oder immer noch existieren, auch an große Fabriken wie die Firma
Trick-Zellstoff oder die Hutfabrik Rehfus, die längst Geschichte sind.
Die Befragten haben aufgrund ihres hohen Lebensalters in erster Linie die (letzten) Jahre der Weimarer Republik und das Dritte Reich bis zum Kriegsbeginn 1939 als Kinder bzw. Jugendliche erlebt. Als solche waren sie in der Regel noch nicht politisch orientiert. Ihre Eindrücke betreffen gleichwohl auch Auswirkungen politischer Ereignisse, wie sie sich in ihrer Lebensumwelt niederschlugen, z.B. durch Arbeitslosigkeit und Armut in ihren Familien, durch die Einquartierung von Arbeitern während des Westwallbaus oder durch den Besuch des Reichskanzlers Adolf Hitler in Kehl.
Einige der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wurden als Kinder oder Jugendliche auch Zeuge der Entrechtung und Ausgrenzung der jüdischen Bürger Kehls und Bodersweiers und schließlich der erschütternden Ereignisse im November 1938. In diesem Zusammenhang hebt AG-Leiter Uli Hillenbrand besonders hervor, dass auch Stimmen jüdischer Zeitzeugen in der Audio-Dokumentation zu hören sind: Neben der Stimme des 2009 verstorbenen Fritz Wertheimer ist auch Claus Rosenthal zu hören, nach dessen Vater Dr. Karl Rosenthal eine Straße in Kehl benannt ist. Außerdem hat Hillenbrand selbst Harry Bruchsaler in Tel Aviv zum Interview getroffen. Im Gegensatz zu seiner Mutter Sophie Bruchsaler und seinen Großeltern Rosa und Emil Dreifuss schaffte es Harry Bruchsaler noch 1939 ins damalige Palästina auszuwandern. Gemeinsam liefern die Zeitzeugen ein eindrückliches Zeugnis von der Geschichte der jüdischen Gemeinden in Kehl und Bodersweier.