Erinnerung in Bewegung – Zeitzeugen-AG besucht „Denkmal der grauen Busse“

Die Zeitzeugen-AG hat sich am vergangenen Freitag auf den Weg nach Emmendingen gemacht. Gleich hinter der Pforte des Zentrums für Psychiatrie Emmendingen steht dort das „Denkmal der grauen Busse“, ein in Segmente geschnittener grauer Bus aus Beton. Sein Gegenstück befindet sich dauerhaft in der ehemaligen Heilanstalt Ravensburg-Weißenau, während das Denkmal in Emmendingen den Standort in Abständen wechselt. Die Symbolik ist mit Bedacht gewählt: In grauen Bussen (anfangs trugen sie noch rote Farbe) wurden von Januar 1940 an zehntausende psychisch kranke und behinderte Menschen aus Psychiatrien, Heil- und Pflegeanstalten „verlegt“, um sie danach in sechs Tötungsanstalten zu ermorden. Somit weisen die Denkmalbusse auf das Transportmittel als Werkzeug der Täter hin. Dadurch dass das Denkmal wandert, soll auch die Erinnerung an den Massenmord, der mitten im Deutschen Reich unter den Augen der Öffentlichkeit geschah, lebendig gehalten werden. Schließlich steht der graue Bus heute auch an den damaligen Tatorten: Alleine aus der „Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen“ wurden 1.127 Menschen ermordet. Mit dem Versetzen des grauen Busses soll auch die Erinnerung an die Tat und die Opfer wieder ins Gedächtnis gerufen werden:

„Ähnlich unserer Erinnerung kommt und geht dieses Erinnerungszeichen in Form des grauen Busses; so wie im Alltag, in der Gegenwart, Verdrängtes und Tabuisiertes immer wieder plötzlich auftaucht und verschwindet.“ Denkmal der Grauen Busse

Begleitend zum Denkmal hat das ZfP die Wanderausstellung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) nach Emmendingen geholt: „Erfasst, verfolgt, vernichtet – Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“ lautet ihr Titel. Die Ausstellung konnte die Zeitzeugen-AG in der nur wenige Schritte vom Denkmal entfernten Festhalle besichtigen. Die Ausstellungstafeln zeichneten die Geschichte der NS-/„Euthanasie“-Morde eindrucksvoll und nahegehend in fünf großen Kapiteln nach.

Eröffnet wurde der Gang durch „Fotoalben“, auf denen man als Besucher einer Auswahl von Tätern und auf weiteren Tafeln ihren Opfern in die Augen sehen konnte. Die meisten Aufnahmen zeigten die ermordeten Menschen in ihren privaten Verhältnissen, bevor sie – oft ausgrenzt – in einer Anstalt unterkamen. Exemplarische Biografien von Opfern zogen sich durch die Ausstellung wie jene von Irma Sperling, die nur 13 Jahre alt wurde. Den Aussagen der Täter, darunter zahlreiche Ärzte, Verwaltungsfachleute und Pflegekräfte, wurden die Aussagen ihrer Opfer entgegengestellt. Mit vielen erschütternden Dokumenten, darunter auch einigen Zeichnungen von Patienten, dokumentierte die Ausstellung die systematische Ermordung und Zwangssterilisation hunderttausender Menschen während der NS-Herrschaft. Ein letztes Kapitel widmete sich dem traurigen Kapitel der umfassenden Verdrängung und dem sehr späten Erwachen einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Verbrechen.

 Vergangenen März hatte die Zeitzeugen-AG die Verlegung des ersten Stolpersteins für ein Kehler „Euthanasie“-Opfer, Alfred Rapp, initiiert und begleitet. 

Die Wanderausstellung ist bis 31. Mai noch in der Festhalle des Zentrums für Psychiatrie Emmendingen zu sehen. Noch länger (bis März 2020) kann jeder Interessierte das „Denkmal der grauen Busse“ in Emmendingen aufsuchen.

[HBR]