Gedenken an Widerstandskämpfer

„Einstein“-Schülerinnen und -Schüler gestalten Gedenkveranstaltung für ermordete Mitglieder von „Réseau Alliance“

Vor 75 Jahren erschoss die Gestapo an einem regnerischen Novembertag neun Widerstandskämpfer der Gruppe „Réseau Alliance“ am Kehler Rheinufer. Die Tat in Kehl war der Auftakt für die sogenannte „Schwarzwälder Blutwoche“, der mindestens 70 Mitglieder der Widerstandsgruppe zum Opfer fielen, die in badischen Gefängnissen gefangen saßen.

Ein Gedenken an die ermordeten Widerstandskämpfer fand bis in die 90er Jahre in Kehl nicht statt. Erst die damalige „Ärzte-Initiative“ sorgte mit ihrem Engagement dafür, dass eine Gedenktafel am Sockel der Europabrücke im Jahr 1996 angebracht wurde, die die Namen der Ermordeten festhielt. Mit dem europäischen Versöhnungsprojekt des Essener Künstlers Thomas Rother wurden in Kehl schließlich zwischen Juni 2013 und November 2014 acht Grenzrosen an verschiedenen Plätzen in Kehl (und eine Grenzrose in Straßburg) installiert. Die Grenzrosen verankern seitdem mit ihrer Symbolik die Erinnerung an die Tat im Gedächtnis der Stadt.

Eine der Grenzrosen steht am Standort des ehemaligen Kehler Gefängnisses. Am 23. November 1944, als Straßburg von den alliierten Truppen befreit wurde, saßen auf der Kehler Seite hier die neun Widerstandskämpfer der Gruppe „Réseau Alliance“ gefangen. Die Befreiung ihres Vaterlandes vor Augen wurden sie aus den Zellen geholt und zum Rheinufer abgeführt. Nachdem sie sich vollständig entkleiden mussten, erschoss die Gestapo die Männer und warf ihre Leichen in den Rhein. Der jüngste der Ermordeten war 22 Jahre alt, der älteste 41 Jahre. Die meisten der Widerstandskämpfer waren verheiratet, einige hatten bereits Kinder. Ihre Familien erfuhren erst nach Kriegsende von dem Schicksal ihrer Angehörigen.  

Bei einer Gedenkfeier anlässlich des 75. Jahrestages der Tat nahm nun neben Vertretern der Stadt und des „Arbeitskreises 27. Januar“  auch Mireille Hincker teil. Sie ist Ehrenvorsitzende der „Organisation déléguée générale honoraire du souvenir français“  und hatte sich bereits in der Vergangenheit für das Gedenken an die Mitglieder von „Réseau Alliance“ stark gemacht und mit Hinterbliebenen der Opfer die Enthüllung der Grenzrosen begleitet.

Bilinguale Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 1 des Einstein-Gymnasiums gestalteten die Gedenkveranstaltung direkt an der Grenzrose im Schatten der Passerelle. Mit ihrem zweisprachigen Beitrag erinnerten sie an die Hintergründe von „Réseau Alliance“ und die damalige Tat und sie banden lyrische Passagen des Gedichts „Poem“ von Selma Meerbaum-Eisinger und des Liedes „Mut zum Brücken bauen“  des Geistlichen Kurt Rommel ein. Auch erinnerten sie an die Symbolik der Grenzrosen: Als Zeichen für die Versöhnung der beiden Nationen sollen die Stahlrosen nicht verwelken.  

Der französische Fahnenträger Bernard Huntzinger entrollte nach dem Beitrag die 1946 angefertigte und normalerweise im Invalidendom in Paris aufbewahrte Erinnerungsfahne des „Réseau Alliance“. Mireille Hincker berichtete zudem, dass Recherchen erst drei Tage zuvor ans Licht gebracht hatten, dass ein zehnter Mensch an jenem Tag am Rheinufer von der Gestapo ermordet wurde (der aber kein Mitglied von „Réseau Alliance“ gewesen war).

Für alle Ermordeten legten die Schülerinnen und Schüler Rosen nieder.


Ich möchte leben.

Ich möchte lachen und Lasten hebenund möchte kämpfen und lieben und hassen
und möchte den Himmel mit Händen fassen
und möchte frei sein und atmen und schrein.
Ich will nicht sterben. Nein!
Nein.

(aus: „Poem“ / Selma Meerbaum-Eisinger 1924—1942)


[HBR]

Fotos: Pressestelle der Stadt Kehl.