„Das Archiv der verschwundenen Dinge“ - Erneuter Landespreis für „Einstein“-Schülerin Lucie Oestereich

Lucie Oestereich hat beim Landeswettbewerb Deutsche Sprache und Literatur des Landes Baden-Württemberg einen Landespreis gewonnen. Die „Einstein“-Schülerin wurde dabei, was nicht allzu häufig vorkommt, im zweiten Jahr in Folge für einen Text ausgezeichnet. Insgesamt 18 Preisträger*innen zeichnete die Jury in der diesjährigen Wettbewerbsrunde ausgehend von 266 Einsendungen aus. Seit 1990 fördert der Landeswettbewerb junge Schreibtalente und motiviert Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe dazu, ihre Schreibbegabungen zu zeigen.

Auch in diesem Jahr eröffneten die Wettbewerbsthemen wieder vielfältige Herangehensweisen. Die Möglichkeit, analytisch-wissenschaftliche Beiträge abzuliefern, verband sich z.B. mit Themen wie „Auf Nimmerwiederhören – warum Wörter verschwinden“ oder „Das Aufbrechen von traditionellen Geschlechterrollen im Film“. Die Schülerinnen und Schüler konnten aber auch Kommentare schreiben zum Thema „Mobilität im 21. Jahrhundert“, sie konnten analysieren, wie ihre liebsten „Fantasywelten in der Literatur“ konstruiert sind, und sie konnten auf innovative oder analytische Weise das Nibelungenlied neu erzählen. „Einsteinerin“ Lucie Oestereich wählte eine kreativ-literarische Aufgabenstellung. Für ein „Archiv der verschwundenen Dinge“ musste sie einen Katalog verfassen, der einzelne Gegenstände aufführte und dabei den Zusammenhang des Ganzen nicht aus den Augen verlor. Dabei war dieses Thema ursprünglich nicht Lucies erste Wahl: „Tatsächlich wollte ich eigentlich erst zu Thema 5 („Meine Maschine ist kaputt“) schreiben – da hätte ich versucht, die Frage der Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine und damit das Thema Identität und Humanität abzuhandeln. Aber da hab ich den Anschluss irgendwie nicht gefunden. Thema 7 fand ich erst einmal ziemlich unhandlich (obwohl ich Katalogformen mag), weil es schwer ist, über etwas zu schreiben und damit sichtbar zu machen, das zugleich verschwunden sein soll. Mit dem ‚Archiv der verschwundenen Dinge‘ habe ich aber schon von Beginn an das Gedächtnis assoziiert. Irgendwann ist mir das Bild einer verlassenen Schaukel in den Kopf gekommen und ich hab einfach mit Schreiben angefangen.“

Lucie gestaltete ihren kunstvollen lyrischen Beitrag über die Gegenstände einer Kindheit, die im Lauf der Zeit vergehen. In ihrem Archiv der verschwundenen Dinge findet ein Kirschbaum ebenso Eingang wie eine Straßenlaterne, ein Briefkasten, eine Schaukel oder Kreidebilder auf dem Asphalt. Ein Text, der beweist, was Lucie beim Schreiben ganz generell fasziniert:

„Ich bin über das Lesen zum Schreiben gekommen. Es ist ja kein Geheimnis, dass Lesen ein extrem guter Trainingsapparat für die Fantasie und die innere Bilderkraft ist. Außerdem mochte ich das schon immer, beim Lesen die eigene Gedankenstimme zu hören, und dieses Gefühl ist beim Schreiben meistens noch intensiver. Für mich heißt Schreiben auch, zu akzeptieren, dass man Dinge nicht nur durch Vernunft begreifen kann und dass es unendlich viel gibt, das man in sich trägt, obwohl man es nicht ganz versteht, und dass auch das Nicht-Verstandene einen Ausdruck finden kann, ist eine sehr versöhnliche und hoffnungsvolle Erkenntnis.“

Zu der Auszeichnung beim Landeswettbewerb durch Jury und Kuratorium traf auch das Glückwunschschreiben der Kultusministerin am Einstein-Gymnasium ein. Schulleiter Dominikus Spinner gratulierte Lucie Oestereich anerkennend zu ihrer besonderen Leistung. Indem sie den Landespreis erneut gewonnen hat, kann die Abiturientin in diesem Jahr auch selbst am Seminar der Landespreisträger*innen teilnehmen, das im Juli im Bildungshaus Kloster Schöntal stattfindet.

Wegen der Auswirkungen der Pandemie blieb es im vergangenen Jahr bei einer Online-Veranstaltung, die allerdings mit der Lesung von Büchner-Preisträger und Lyriker Jan Wagner eine beeindruckende Erfahrung für Lucie war. In diesem Jahr liest nun als Höhepunkt des Seminars die Schriftstellerin Julia von Lucadou aus ihrem neuen Roman „Tick Tack“ und tauscht sich mit den Nachwuchstalenten aus.

Lucies von der Jury mit dem Landespreis ausgezeichneten Text „Das Archiv der verschwundenen Dinge“ könnt ihr hier komplett lesen.

[HBR]

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