In der Herzkammer der europäischen Demokratie: 10. Klassen besuchen das EU-Parlament in Straßburg

Ein Besuch im Europäischen Parlament in Straßburg verschaffte zwei 10. Klassen des Einstein-Gymnasiums einen Blick ins Innenleben einer der zentralen Institutionen der Europäischen Union und in die Herzkammer der europäischen Demokratie. Da vergangene Woche Sitzungsbetrieb in Straßburg herrschte, war das komplexe Parlamentsgebäude voller Leben: Zahllose Abgeordnete, Mitarbeiter:innen, Pressevertreter:innen und dazwischen viele Besucher:innen(-gruppen) tummelten sich im Labyrinth aus Gängen und Räumlichkeiten. Eindruck hinterließ bei vielen Schüler:innen bereits der Eingang durch den 60 Meter hohen Turm aus Glas und Sandstein mit seinem Innenhof und der besonderen offenen Bauweise, die das europäische Projekt symbolisch als ständig im Aufbau begriffen zeigt.

In einem der Konferenzräume im Parlamentsflügel führte der Koordinator des Besucherdienstes Axel Heyer die „Einsteiner“ in die Arbeit und Funktionsweise des Parlaments ein. Er sei sich der Bedeutung von Besucher:innen sehr bewusst: „Für viele von euch ist dieser Besuch im Europäischen Parlament der erste – und wird der letzte bleiben.“ Das Wissen um den Stellenwert des Parlaments im europäischen Institutionengefüge lässt leider nach wie vor zu wünschen übrig. Axel Heyer ging daher auf verschiedene zentrale Merkmale des EU-Parlaments und seiner Arbeit ein, gerade auch auf die Unterschiede zum auf nationaler Ebene gewöhnlichen Gegensatz von Regierung und Opposition. Er thematisierte die besondere Zusammensetzung und Sitzordnung der Fraktionen im Europäischen Parlament und sprach über wichtige Persönlichkeiten des Parlaments wie seine maltesische Präsidentin Roberta Metsola.

Nach einer kurzen Zwischenstation in einem weiteren Konferenzraum konnten die Schüler:innen schließlich den Weg zum Plenarsaal einschlagen und dort auf den Tribünen die gelebte Demokratie im Parlament beobachten: Wie Axel Heyer bereits vor Augen geführt hatte, war die Anwesenheit weniger Abgeordneter nicht ein Zeichen von Ignoranz oder Faulheit, sondern der Tatsache geschuldet, dass das EU-Parlament ein Arbeitsparlament ist: Nur diejenigen Abgeordneten sprechen bzw. sitzen im Plenum bei einem Tagesordnungspunkt, die als Expertinnen und Experten für eine Thematik vorgesehen sind. Ansonsten findet die wesentliche Arbeit der Abgeordneten in ihren Büros und vor allem in Fachausschüssen statt. Spezialisierung und Arbeitsteilung sind bei der Komplexität der zu regelnden Gegenstände unabdingbar, nur bei Abstimmungen oder sonstigen besonderen Anlässen finden sich tatsächlich die mehr als 700 Abgeordneten im Plenarsaal zeitgleich ein.

Die Schüler:innen konnten sich unterstützt von Kopfhörern von der von Axel Heyer angesprochenen Übersetzungsleistung der Dolmetscher:innen überzeugen: Im Minutentakt traten Abgeordnete verschiedenster EU-Mitgliedsstaaten vors Rednerpult und wurden in alle 24 Amtssprachen der EU in Sekundenschnelle übersetzt. Politisch hochaktuell und spannend waren dabei die Beiträge der Redner:innen: Als Folge der hochkontroversen Entscheidung des amerikanischen Supreme Courts, das zentralstaatliche Abtreibungsrecht zu kippen, debattierte das EU-Parlament über das Abtreibungsrecht von Frauen in Europa. Verschiedene Abgeordnete forderten, dass das Recht auf Abtreibung in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufgenommen werden solle. Vertreter:innen konservativer Parteien und rechtsgerichteter Fraktionen sprachen sich dagegen aus und ernteten durch teilweise skurrile Beiträge Nachfragen aus dem Plenum. Geleitet wurde die Sitzung des Parlaments von der deutschen Abgeordneten Katarina Barley, die Vizepräsidentin des Parlaments ist. Organisiert und begleitet wurde die Fahrt am „Einstein“ von GK-Lehrerin Theresa Kost.

[HBR]