Ewige Ruhestätte für die Toten und Kulturdenkmal – Zeitzeugen-AG besucht den jüdischen Friedhof in Schmieheim

Nur wenige Menschen jüdischen Glaubens leben heute in unserer Region. Wer vor dem um 1682 gegründeten jüdischen Friedhof im Kippenheimer Ortsteil Schmieheim steht, erkennt jedoch, dass es einst eine blühende jüdische Gemeinde in der Ortenau gegeben haben muss. Tatsächlich wurde der Verbandsfriedhof Schmieheim von mehreren jüdischen Gemeinden der Region getragen (Altdorf, Ettenheim, Friesenheim, Kippenheim, Lahr, Nonnenweier, Orschweier, Rust und Schmieheim), die ihre Toten hier bestatteten. Rund 2500 Grabsteine erstrecken sich eindrucksvoll an einem Hang entlang der Straße von Kippenheim nach Wallburg. Dass der Friedhof an dieser Anhöhe liegt und sein ältester Teil zur heutigen Straße hin vermutlich Sumpfgelände war, ist kein Zufall. Jürgen Stude, 1. Vorsitzender des Vereins Ehemalige Synagoge Kippenheim e.V., führte der Zeitzeugen-AG vor Augen, dass die Juden damals mit dem Kauf des unwegsamen und für niemand sonst brauchbaren Geländes sicherstellen wollten, dass ihr Friedhof die Zeit überdauern würde. Als häufig in der Geschichte verfolgte und vertriebene Minderheit mussten die Juden damit rechnen, nicht an diesem Ort bleiben zu können. Nach jüdischem Glauben ist der Friedhof jedoch – bis zur Ankunft des Messias – eine ewige Ruhestätte. Jüdische Gräber dürfen nicht eingeebnet werden, es gibt keine Umbettungen oder Neubelegungen, wie es auf christlichen Friedhöfen üblich ist.

Der Gang über den jüdischen Friedhof in Schmieheim gleicht dabei einer Reise durch die Geschichte der Ortenauer Juden. In den unteren Gräberreihen tragen die Grabsteine noch ausschließlich hebräische Schriftzeichen. Christliche Handwerker schufen sie als Auftragsarbeit, denn die Juden selbst durften kein Handwerk ausüben. Der Wunsch der Juden, ein anerkannter Teil der christlich geprägten Mehrheitsgesellschaft zu werden, spiegelt sich in Form und Aussehen der Gräber wider. Je weiter man den Hang hinaufschreitet, umso ähnlicher werden die Grabsteine den Grabmalen der christlichen Nachbarn. Die hebräische Schrift weicht zurück, die Gräber beginnen auf der Rückseite seit Mitte des 19. Jahrhunderts lateinische Buchstaben zu zeigen. Jürgen Stude verdeutlichte den AG-Mitgliedern daneben auch zahlreiche Besonderheiten der jüdischen Kultur und Bräuche, die auf dem Friedhof ablesbar sind. Bereits die Lage außerhalb der Ortschaften weist darauf hin, dass man im Judentum die Berührung mit dem Tod meiden soll, vielleicht stammt daher die Verpflichtung, jüdische Verstorbene noch an ihrem Todestag zu bestatten. Von einem Friedhof darf man keinerlei Vorteil erzielen, weswegen z. B. dort gefällte Bäume nicht verkauft werden sollen.

Einen besonderer Blickfang bieten zudem die auffälligen Symbole, die viele Gräber zieren. Segnende Hände weisen darauf hin, dass hier ein Nachkomme der Priesterkaste (Cohen) bestattet liegt. Auch die Kanne ist als Symbol mit einem Amt im Gottesdienst verbunden: Die Angehörigen der Familie Levi hatten die Aufgabe, den Priestern im Tempel das Wasser für Waschungen zu reichen. Der Brauch, kleine Steine auf den Gräbern abzulegen, erklärte Jürgen Stude der Zeitzeugen-AG, hat vermutlich einen praktischen Ursprung: In früherer Zeit, zumal in Wüstenregionen, beschwerte man Grabstätten mit Steinen, um zu verhindern, dass sie wilde Tiere anzogen. Zugleich stellen die Steine ein Symbol für die Ewigkeit dar, die der ungestörten Totenruhe zu eigen sein soll.

Der jüdische Friedhof in Schmieheim zeigt nicht nur die zunehmende Assimilation der Juden und ihren Wunsch nach Anerkennung in ihrer deutschen Heimat (was etwa im errichteten Kriegerdenkmal für die jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf dem Friedhof deutlich zum Ausdruck kommt). Der Ort lenkt den Blick auch durch seine Leerstellen auf die Spuren der Verfolgung im „Dritten Reich“: Nahe der Straße, an denen der Friedhof gut zugänglich war, sind viele Grabsteine verschwunden. Die Leichenhalle wurde beim Novemberpogrom 1938 zerstört, zahlreiche Grabsteine damals umgestoßen. Eine große Freifläche zeigt an, dass die Juden vor ihrer Verfolgung noch die Möglichkeit schufen, den Friedhof weiter ausdehnen zu können – doch es sollte nicht dazu kommen. Anhand einzelner Schicksale der während des Zweiten Weltkrieges auf dem Friedhof Begrabenen beleuchtete Jürgen Stude am Ende der Führung die beklemmende Lage der in Deutschland verbliebenen jüdischen Menschen. Die Deportation aller Juden aus dem Südwesten am 22. Oktober 1940 führte schließlich zur Auslöschung der jüdischen Gemeinden in der Ortenau. Auf dem jüdischen Friedhof Schmieheim werden keine Menschen mehr beigesetzt, doch ist er mehr als ein Kulturdenkmal – er bleibt ewige Ruhestätte für die Toten.

Wer eine fachkundige Führung über den jüdischen Friedhof erhalten möchte, sollte das Angebot des Fördervereins Ehemalige SynagogeKippenheim nutzen.

Hbr