„Berlin, Berlin … wirst nie vergeh'n …“ – Studienfahrt der J2 in die Hauptstadt

„So kaputt, zerstört, doch wunderschön / Beim Untergang warst du die Zeugin / Jetzt schau dich an – wirst nie vergeh'n …“ – so wurde Berlin im Musical „Ku’damm 56“ charakterisiert, das die Teilnehmer*innen der diesjährigen Studienfahrt des Einstein-Gymnasiums in der Hauptstadt begeisterte. Der Besuch des Musicals war der Abschluss ereignisreicher Tage für die rund 40-köpfige Gruppe aus Kehl. DDR- und NS-Geschichte, Berlin als Regierungssitz oder Event-Metropole – die Schüler*innen lernten die Hauptstadt von vielen Seiten kennen.

Vom Ostbahnhof startend war eine der ersten Stationen das gewaltige Paul-Löbe-Haus, das zum „Band des Bundes“ zählt und malerische Ausblicke auf den Spreebogen ermöglichte. Beim etwa einstündigen Anstehen an der Sicherheitsschleuse in der kalten Berliner Luft wuchsen die Erwartungen an den folgenden Imbiss in der Bundestagskantine beträchtlich. Tatsächlich verdiente das Essen die Bewertung, die es in der kürzlich erschienenen Folge vom „ZDF Magazin Royale“ zum Thema Lobbyismus erhielt.

Beeindruckend waren in jedem Fall die Ausmaße und Ausblicke auf die Spree im Paul-Löbe-Haus, das hunderte Abgeordneten-Büros neben weiteren Funktionsräumen für das Parlament beherbergt. Von dort wurden die Einsteiner*innen unterirdisch zum Reichstagsgebäude geführt. Hier folgte auf den Besucherrängen mit Blick auf den am Abend leeren Plenarsaal ein Vortrag, der anhand der Sitzordnung das Wahlsystem, die Arbeitsweise des Parlaments und die Machtverhältnisse in der neuen Legislaturperiode erläuterte. Viel Wert legte der Redner (neben dem Wort „Ruhe“ und einer perfekt sitzenden Gel-Frisur) auf die Unterscheidung von historischem Gebäude (Reichstag) und Institution (Bundestag). Anschließend konnten die Schüler*innen die gläserne Kuppel (Transparenz!) hochsteigen und Berlin bei Nacht überblicken.

Nach Frühstück im US-Sektor des perfekt gelegenen Schulz Hotels stand am folgenden Tag die DDR-Geschichte im Mittelpunkt der Studienfahrt. Zunächst erkundeten die Schüler*innen das heute grüne Band an der Bernauer Straße, an dem die Gedenkstätte Berliner Mauer entstanden ist. Zahlreiche Informationstafeln und Hörstationen luden zum Eintauchen in die Geschichte des Mauerbaus und das Leben in der geteilten Stadt an dieser Stelle ein. Neben der Sicht auf Fundamente der hier abgerissenen Häuser und dem Besuch der Kapelle der Versöhnung konnte die Gruppe auch aus der Höhe die an dieser Stelle erhaltenen Grenzanlagen betrachten und sich im Dokumentationszentrum über Einzelschicksale und dramatische Fluchtversuche informieren. Besonders eindrücklich war für die Schüler*innen auch der Besuch der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen. Hier führten ehemalige Häftlinge die geteilte Gruppe durch das Gefängnis und schilderten nicht nur dessen allgemeine Geschichte, sondern auch ihr (Über-)Leben in der Haft an diesem Ort. Der Zeitzeuge Gilbert Furian zeigte der „Einstein“-Gruppe seine Interviewsammlung mit Punks aus Ost-Berlin, für deren Vervielfältigung er zu über zwei Jahren Haft verurteilt wurde. Sein Alltag in Hohenschönhausen, seine Erlebnisse mit seinem Vernehmer und sein Umgang mit dieser Erfahrung waren faszinierend. Einen weiteren Programmpunkt des Tages bildete zuvor eine Führung rund um den „Tränenpalast“ – die ehemalige Ausreisehalle von der DDR nach Westen am Bahnhof Friedrichstraße. Der Spätnachmittag und Abend stand dann zur freien Verfügung und konnte auch genutzt werden, um das Berliner Nahverkehrssystem und die bekannten Bezirke und Ortsteile besser kennenzulernen. Arabische Geschäfte in Neukölln waren dabei genauso Anlaufstation wie die Kirmes im Wedding.

Am späten Abend meldete sich schließlich die Corona-Pandemie zu Wort und verkürzte für die begleitenden Lehrer*innen etwas die Nacht. Covid-bedingt konnte am Morgen das Jakob-Kaiser-Haus nur von außen betrachtet werden und das Gespräch mit Geburtstagjubilar Wolfgang Schäuble musste sicherheitshalber abgesagt werden. In weiser Voraussicht hatte ein Schüler ohnehin seinen Ausweis zuhause gelassen und am Hackeschen Markt blieb die Hälfte der Einsteiner*innen auch in der S-Bahn sitzen, um vermutlich die weitere Entwicklung abzuwarten. Neue Schlachtpläne wurden aber schnell entworfen: So suchte die wiedervereinte Gruppe zunächst am Brandenburger Tor vorbeiziehend das Denkmal für die ermordeten Juden Europas auf. Vom Stelenfeld führte der Weg danach über den Potsdamer Platz vorbei am Bundesrat wieder zur Spree, um im letzten Augenblick überzusetzen: Bei herrlichem Sonnenschein unternahm die Gruppe eine klassische Bootstour, die sowohl Richtung Museumsinsel als auch zurück zum Regierungsviertel und am Bundeskanzleramt vorbei ging. Danach rundete ein optionales Museumsprogramm den Nachmittag ab, das ins Pergamonmuseum oder ins Museum für Naturkunde führte. Das gemeinsame Abendprogramm fand später im kleinen Zebrano-Theater statt, wo der Liedermacher Sebastian Krämer der Gruppe eine Sondervorführung bot und mit Witz, Gesang und am Klavier Kleinkunst vom Feinsten bot.

Am letzten Tag konnten die Schüler*innen die Dauerausstellung in der „Topographie des Terrors“ besuchen, die sich am ehemaligen Sitz des Reichssicherheitshauptamtes und weiterer Zentralen des NS-Terrors befindet. Außerdem erhielten sie in kleinen Gruppen Führungen in der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“, die im sogenannten Bendlerblock untergebracht ist, dem zentralen Ort des Widerstands am 20. Juli 1944 und der Hinrichtung von Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Neben den Bombenattentaten der Verschwörer um Stauffenberg und des Einzeltäters Georg Elser wurde hier der Widerstand einzelner Jugendlicher bzw. Jugendgruppen thematisiert. Nach angemessener Mittagspause führte der Weg später ins Museum für Fotografie in die Sonderausstellung „Hollywood“ und – für alle Interessierten – ins C/O Berlin in die Ausstellung „Queerness in Photography“.

Gleich um die Ecke befand sich dort auch das Stage Theater des Westens. Dort rundete den letzten Abend schließlich der Besuch des Musicals „Ku’damm 56“ ab, das die konservative BRD-Gesellschaft der 50er Jahre und auch deren NS-Vergangenheit behandelt. Wie jeden Tag in der Woche etwas gefühlt zu früh am Morgen, aber nur wenige Schritte vom Hotel entfernt, marschierte die Gruppe am Freitag zum Berliner Ostbahnhof und bestieg den ICE, der direkt nach Offenburg durchfuhr. Zurück blieben zahlreiche Erinnerungen und Eindrücke von der lebendigen und großen Hauptstadt (und ein Geldbeutel im Schulz Hotel, der aber bald ausfindig gemacht wurde).

[HBR]