Ein Stolperstein für Magdalena Rapp

Der 71. Kehler Stolperstein, der an ein Opfer des Nationalsozialismus erinnert, war ein besonderer: Zum ersten Mal wurde von Künstler und Initiator der Stolpersteinaktion Gunter Demnig in Kehl ein Stolperstein im Gedenken an eine Zeugin Jehovas verlegt: Magdalena Rapp wurde wegen ihres Glaubens verfolgt und über ein Jahr in mehreren Gefängnisanstalten und einem Konzentrationslager inhaftiert.

Schülerinnen und Schüler der Zeitzeugen-AG des Einstein-Gymnasiums hatten sich in den vergangenen Wochen mit ihrem Schicksal beschäftigt. In einer szenischen Lesung stellten sie die Geschichte der Verfolgung Magdalena Rapps dar und legten Rosen zum Abschluss der Zeremonie an dem frisch verlegten Stolperstein ab. Musikalisch würdig umrahmt wurde die Verlegung von Esther König-Leblond und „Einstein“-Schüler Adrien Dupré la Tour. Der Gedenkveranstaltung wohnten rund 100 Menschen in der Niedereichstr. 3 bei: Noch heute leben Angehörige von Magdalena Rapp in dem Anwesen. Ihr Urenkel Raphael Reininger erinnerte in einer Ansprache an das Leid der Verfolgten, das mit dem Tag ihrer Freilassung nicht aufgehört habe: „Es macht uns als Familie stolz, dass sie selbst unter Druck für die Menschlichkeit einstand.“ Über ihr Schicksal sprach Magdalena Rapp wie so viele Überlebende der NS-Verfolgung in ihrer Familie bis an ihr Lebensende kaum.

Magdalena Rapp wurde im Oktober 1936 von Gestapo-Beamten verhaftet. Ihr Mann und ihre beiden Töchter im Alter von 9 und 11 Jahren blieben alleine zuhause zurück. Das Vergehen von Magdalena Rapp war, dass sie sich weiter als Zeugin Jehovas engagierte und für ihre verbotene Glaubensgemeinschaft Druckschriften verbreitete. Für ihre Betätigung als Zeugin Jehovas wurde sie von einem Sondergericht in Mannheim zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt. Nach mehreren Haftstationen, die sie in Frauenstrafanstalten in Bruchsal und nach Schwäbisch Gmünd führten, wurde Magdalena Rapp schließlich ohne weiteren Prozess ins KZ Moringen bei Göttingen gesteckt. Erst Ende November 1937 wurde sie aus dem Konzentrationslager entlassen und konnte ihre Familie wiedersehen.

Sowohl Pastoralreferent Martin Kramer, der alle Anwesenden im Namen des Arbeitskreises „27. Januar“ begrüßte, als auch Oberbürgermeister Wolfram Britz erinnerten in ihren Ansprachen daran, dass die Zeugen Jehovas lange zu den „vergessenen Opfern“ des Nationalsozialismus gehörten. Erst in diesem Jahr hat der Bundestag beschlossen, ein zentrales Mahnmal für die Verfolgung der Zeugen Jehovas zu errichten. Die Nationalsozialisten hatten die Glaubensgemeinschaft bereits zu Beginn ihrer Herrschaft verboten, da sie sich der NS-Herrschaft geschlossen widersetzten. Begründet aus ihrem Glauben heraus beteiligten sich die Zeugen Jehovas nicht an Wahlen oder Abstimmungen, sie verweigerten die Mitgliedschaft in Parteiorganisationen, den Hitlergruß, den Wehrdienst sowie jegliche militärischen Arbeiten in der Rüstungsindustrie. Insgesamt mussten – soweit namentlich bekannt – 4100 Zeugen Jehovas in den Konzentrationslagern den lila Winkel als Kennzeichnung an ihrer Kleidung tragen, darunter ungefähr 1300 Zeugen Jehovas aus den Niederlanden, aus Österreich, Polen, Frankreich und anderen Ländern. Ungefähr jeder Vierte kam in der KZ-Haft ums Leben. Hunderte Zeugen Jehovas wurden hingerichtet, weil sie sich dem Kriegsdienst verweigerten.

Nicht ohne Grund lautet der 4. Artikel des Grundgesetzes heute:

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.

An ihrem Glauben hielt Magdalena Rapp bis zu ihrem Tod fest. Ihr Stolperstein findet sich nur wenige Minuten zu Fuß vom „Einstein“ entfernt.

[Hbr]

Fotos: Kehler Zeitung