Namen werden wieder sichtbar – Reinigung der Stolpersteine

Dass an die zahllosen Opfer der NS-Herrschaft erinnert wird, war in der Geschichte der Bundesrepublik keine Selbstverständlichkeit. Auch heute bekämpfen viele radikale Kräfte und Rechtsextreme die Erinnerungskultur und greifen die Arbeit von Gedenkstätten an. Zugleich hat sich die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland stark erhöht. Dem Gedenken für die Opfer des Nationalsozialismus kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Bundespräsident Roman Herzog erklärte 1996 den 27. Januar – an diesem Tag befreite die Rote Armee 1945 das Vernichtungslager Auschwitz – zum nationalen Gedenktag.

Für eine Gruppe aus Lehrern, Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Stufen am „Einstein“ und Mitgliedern der Jusos und jungen Grünen war der nahende Gedenktag Anlass, ein Stück des größten dezentrales Denkmal der Welt zu pflegen: 71 der mehr als 100.000 Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig sind bisher auch in Kehl verlegt worden. Die Stolpersteine erinnern im Straßenpflaster an die letzten frei gewählten Wohn- bzw. Arbeitsorte der verfolgten Menschen. Stolpersteine können für alle Opfer des Nationalsozialismus verlegt werden: In der Kehler Spießgasse erinnern die Stolpersteine an die ermordete jüdische Familie Bensinger. In der Hauptstraße liegt ein Stolperstein für den Weltkriegsteilnehmer Alfred Rapp, der wegen seiner psychischen Erkrankung aus der Heilanstalt in Zwiefalten deportiert und in Grafeneck vergast wurde. Und der letzte hier vor Ort verlegte Stolperstein wurde im Gedenken an eine Zeugin Jehovas verlegt, Magdalena Rapp, die für ihren Glauben ins Konzentrationslager kam.

Ob alter oder neuer Stolperstein – Witterung, Staub und Verkehr sorgen unweigerlich dafür, dass die Inschriften auf den Messingplättchen sich verdunkeln und mit der Zeit kaum noch lesbar sind. Das Reinigen der Stolpersteine macht dagegen die Namen, Lebensdaten und Stationen der Verfolgung wieder sichtbar. Den groben Schmutz mit einem Lappen entfernen, etwas Metallputzmittel einwirken lassen, dann kräftig mit einem Schwamm polieren und mit etwas Wasser nachspülen – plötzlich hellen sich die Steine auf und es erscheinen im Bürgersteig wieder Namen und Schicksale. Ob ganze Familien oder alleinstehende Personen, Kinder, Erwachsene oder Großmütter – auf den Stolpersteinen ist beinahe jedes Lebensalter vertreten, wie die Schülerinnen beim Reinigen berührt feststellen. „Flucht“, „Ermordet“, „Erschossen“, „Tot“, „Überlebt“ liegen auf den Steinen manchmal nah beieinander. Ein weiterer Eintrag lautet bei den meisten Menschen „deportiert“ – Rechtsextreme von heute verwenden dafür den Begriff „Remigration“. Wer die beschönigende Tarnvokabel etwas abpoliert, kommt aber auch hier der Wahrheit näher. Umso wichtiger ist ein Nachdenken darüber, wozu rechtsextremes Denken und Handeln führen kann.

[Hbr]