„Erzähl mir keine Märchen!“ – Das glatte Gegenteil war vergangene Woche am „Einstein“ erwünscht, denn schließlich besuchte Märchenerzählerin Katrin Bamberg wie in jedem Schuljahr alle 5. Klassen des Gymnasiums. Eine Ecke der Schulbibliothek hatte sie dafür wieder stimmungsvoll mit ihrer Schatztruhe und verschiedenen Utensilien hergerichtet. „Ich ziehe durchs ganze Land!“, begrüßte sie ihre jungen Zuhörer*innen, die es sich auf Kissen gemütlich gemacht hatten. Mit einem Klassiker legte die Märchenerzählerin los, denn die goldene Kugel, die sie dabei hatte, führte natürlich zum „Froschkönig“. Seine merkwürdigen Forderungen lösten noch immer manches Kichern aus und die Aufmerksamkeit der Schüler*innen fing Bamberg mit ihrer lebendigen Erzählung sofort ein.
Unterhaltsam kommentierte sie dabei auch das Verhalten des Froschkönigs („Heb mich herauf, oder ich sag’s deinem Vater!“): „Eine Petze ist er auch noch!“ Und natürlich fanden sich genug Freiwillige, die den Plüschfrosch auch an die Wand werfen wollten, allerdings verwandelte er sich nur im Märchen in den einst verwunschenen Prinzen. Mit weiteren Gegenständen und Fragen prüfte Bamberg danach die Märchenkenntnisse ihres Publikums. Die Formel „Spieglein, Spieglein an der Wand“ durfte ebenso wenig fehlen bei „Schneewittchen“ wie der vergiftete Apfel, den die Märchenerzählerin in der Hand feilbot: „Der sieht richtig saftig aus“, kommentierte einer der Schüler. Aber ob man ihn annehmen könne, fragte die Märchenerzählerin? Darauf gab es unterschiedliche Antworten: Man könne einen der sieben Zwerge opfern, um zu testen, ob er giftig sei. Oder eben auch das Risiko eingehen und reinbeißen. Zum Glück fiel niemand der bösen List der Märchenhexe zum Opfer. Stattdessen wurde nun die große Sanduhr gedreht und der Märchenreigen fortgesetzt. Bamberg erzählte nun bebildert das nicht ganz so bekannte, aber spannende Märchen „Brüderchen und Schwesterchen“, das zwar nicht mit „Es war einmal“ beginnt, aber dennoch zahlreiche Merkmale der Textsorte erfüllt. Von der bösen Stiefmutter, die eine Hexe ist, von Verwandlung, der Jagd und wunderbaren Ereignissen führt der Bogen der Geschichte schließlich doch noch zu einem glücklichen Ende, das den Tod aufhebt. Mit großer Anteilnahme folgten die Schüler*innen der Erzählung und kommentierten auch das erneute Auftauchen der bösen Stiefmutter („Gibt’s die auch noch!?“). Mit einer leeren Flasche läutete die Märchenerzählerin schließlich das nahende Ende der Märchenstunde ein. Ihre Geschichte über zwei Brüder und die Suche nach Glück war ein sehr schönes Beispiel für die bis heute ungebrochene Anziehungskraft von Märchen. Schließlich entfalteten die Ereignisse und sprachlichen Bilder der Handlung viel Raum für die eigenen Wünsche und Ängste: Da kroch das Pech buchstäblich unter dem Ofen hervor, während das Glück im verborgenen Winkel auf seine Entdeckung wartete. So gefangen von den Erzählungen und dem Märchenton verging die Schulstunde besonders rasant und alle Zuhörer*innen verließen gelöst und ohne verflucht worden zu sein die Märchenwelt.
(Hbr)