Zeitzeugen-AG begleitet mit szenischen Lesungen die Gedenkveranstaltung
Am vergangenen Freitag wurden in der Kehler Riedstraße, wenige Gehminuten vom Einstein-Gymnasium entfernt, zwei Stolpersteine verlegt, die an zwei Opfer der NS-Diktatur erinnern: Robert Schimpf und Wilhelm Friedrich Krauss. Begleitet wurden die Verlegungen von einer Ansprache von Oberbürgermeister Wolfram Britz und von Präsentationen der Zeitzeugen-AG. In szenischen Lesungen trugen die Schülerinnen und Schüler in unterschiedlichen Rollen biographische Informationen und Zitate aus Originaldokumenten vor, die das Schicksal der Ermordeten beleuchteten. Beide wurden Opfer der NS-Justiz und in Verfahren verurteilt, die elementaren Prinzipien des Rechtstaats widersprachen.
Robert Schimpf wurde 1939 vom Volksgerichtshof in Berlin im Alter von 33 Jahren zum Tod verurteilt und hingerichtet. Er war politischer Gegner des NS-Regimes und stand aus seinem familiären Umfeld heraus der KPD nahe, die bereits im Frühjahr 19933 faktisch verboten war und deren Politiker und Mitglieder von den Nationalsozialisten systematisch verfolgt wurden. In Kehl existierten im Untergrund kleinere kommunistische Widerstandsgruppen weiter, darunter die „Rote Hilfe“, die sich um die finanzielle Unterstützung von den Familienmitgliedern eingesperrter KPD-Angehöriger kümmerte. Robert Schimpf wurde im November 1938 auf der Rheinbrücke verhaftet. Angeblich fand man bei ihm die Skizze eines Bunkerplans. Der Kehler Gestapo-Chef Julius Gehrum trat als einziger Zeuge bei der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof in Berlin auf: Dieses politische Gericht setzte die NS-Diktatur als Terrorinstrument zur Bekämpfung von politischen Gegnern ein: Rund 5.200 Todesurteile fällten die von Hitler persönlich ernannten Richter. Eines traf Robert Schimpf, der am 17. November 1939 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde wegen „Landesverrats“.
Während von Robert Schimpf noch Fotos existieren und Angehörige der Verlegung beiwohnten, war dies bei Wilhelm Friedrich Krauss trotz längerer Recherchen nicht möglich. Einzelne Dokumente existieren allerdings noch, die das Schicksal von Krauss belegen. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Kehler Soldat wurde im Januar 1941 bei einem Arbeitsurlaub verhaftet: Er hatte sich in der noch heute existierenden Gastwirtschaft „Rebstock“ abfällig über seinen Dienst und Vorgesetzte geäußert. Nachdem er dafür verraten wurde, verurteilte man ihn wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zu neun Monaten Gefängnis, setzte die Vollstreckung der Strafe aber bis zum Kriegsende durch eine „Frontbewährung“ aus. Als Wilhelm Krauss sich erneut kritisch äußerte (z.B. „Viel lieber will ich von früh morgens bis abends arbeiten, als hier die Uniform tragen. Mein Vater war im Weltkrieg auch nur widerwillig Soldat gewesen“), wurde er von einem Kriegsgericht zum Tod verurteilt und an der Front neun Tage vor seinem 33. Geburtstag erschossen. So erging es mehreren tausend Soldaten der Wehrmacht, die wegen „Wehrkraftzersetzung“ hingerichtet wurden.
Musikalisch würdig umrahmt wurde die Veranstaltung von „Einstein“-Schülerin Lena Stalinski und der ehemaligen „Einsteinerin“ Lea Balzar auf der Geige. Nachdem ein Mitarbeiter des Betriebshofs die Stolpersteine in den Gehweg eingelassen hatte, legten die Schülerinnen und Schüler weiße Rosen neben den kleinen Tafeln aus Messing nieder, die die Lebensdaten der Ermordeten festhalten. Stolpersteine, in Kehl sind es mittlerweile 73 an der Zahl, werden vor den letzten freigewählten Wohnadressen der Opfer des Nationalsozialismus verlegt.
(Hbr)
Einstein-Gymnasium
Vogesenallee 24
77694 Kehl