„Essentiell für die Gesellschaft“
Zehntklässler*innen sammeln im Sozialpraktikum Erfahrungen in sozialen Berufen

Es ist kein Geheimnis, dass in Deutschland eine große Lücke klafft zwischen der öffentlich geäußerten Wertschätzung, die vielen sozialen Berufen entgegengebracht wird, und der tatsächlichen Entlohnung der Arbeit. Bekannt ist auch, dass in Kliniken, Kitas und Heimen hunderttausende Erzieher und Pflegerinnen fehlen. Umso wichtiger kann es sein, dass auch junge Menschen Erfahrungen in sozialen Berufen sammeln, dass sie ein Gefühl dafür bekommen, welche Arbeit hier geleistet wird und welche Belastungen, aber auch positiven Erlebnisse sie mit sich bringen.

Dabei hatte gerade die Corona-Pandemie nicht nur die Brüchigkeit der sozialen Infrastruktur und den Fachkräftemangel verdeutlicht. Sie hatte auch viele Schulpraktika in diesem Bereich in der Vergangenheit verhindert. In diesem Jahr war nun wieder endlich das Sozialpraktikum der 10. Klassen am Einstein-Gymnasium möglich. Zwei Wochen lang lernten die Schülerinnen und Schüler in unterschiedlichen sozialen Einrichtungen verschiedene Berufe und zahlreiche Menschen, Kinder und Jugendliche, Patienten und Bewohnerinnen z.B. in Kindergärten, Altersheimen und Krankenhäusern kennen.

„Einsteinerin“ Mia Hauß absolvierte ihr Praktikum in der Seniorenresidenz „Alte Mühle“ in Bodersweier. Gar nicht so leicht fiel es ihr zu Beginn des Praktikums, die eigenen Berührungsängste zu überwinden im Umgang mit Menschen, die so viel älter waren als sie selbst. Ob beim Verteilen des Essens, beim Begleiten zu Aktivitäten im Haus oder bei der Unterstützung von Programmpunkten, Mia war zwei Wochen im Altersheim eingebunden und zieht ein positives Fazit: „Ich fand es sehr schön, wie dankbar die Bewohner sind und sich freuen, dass man ihnen hilft.“ Deutlich jünger waren die Menschen, mit denen etwa Luis Felipe Duda Rodriguez, Leonie Geiler und Lucca Schweiger in Kontakt waren. In der integrativen Kita St. Raphael in Sundheim halfen sie in unterschiedlichen Tagesgruppen, spielten mit kleineren und größeren Kindern, schlichteten, wenn es Streit gab, oder unterstützten einfach beim Händewaschen und Aufräumen. Für alle drei war es eine ausgesprochen wichtige Erfahrung: „Man bekommt einen guten Einblick in das Berufsbild eines Erziehers“, meint Luis und hält fest, dass diese Arbeit „essentiell für die Gesellschaft ist und trotzdem nicht gut bezahlt wird“. Besonders schön haben Lucca und Leonie dabei auch empfunden, wie schnell die Kinder sie angenommen haben als Praktikantinnen. Die Nähe zu und Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen war für weitere Zehntklässler:innen zwei Wochen Alltag im Sozialpraktikum. Bei der Diakonie Kork in der Oberlin-Schule sammelten Neele Por und Charlotte Oestereich ganz vielfältige Erfahrungen, die sich von ihrem normalen Schulalltag am „Einstein“ abhoben. Belastend war es für Neele etwa wahrzunehmen, wenn ein Schüler in der Familie keine Unterstützung erfährt. Besonders positiv hat Charlotte wiederum in ihrer Gruppe die kleinen und großen Erfolgsmomente der Schüler*innen empfunden, die in alltäglichen Handlungen stecken können.

Patienten im Kehler Klinikum z.B. beim Röntgen zu begleiten und die Pflegekräfte zu unterstützen, war dagegen für Emilie Buchert Inhalt des Sozialpraktikums. Ihr Interesse für den Praktikumsplatz hat sie nicht bereut, vielfältig und intensiv gestalteten für sie sich die Erfahrungen der beiden Wochen und die Begegnungen mit so unterschiedlichen Charakteren und Menschen auf der „Orthopädie“-Station. Und was ihr ebenfalls besonders positiv in Erinnerung bleiben wird: „Wenn Patienten wieder nach Hause entlassen werden: die Freude im Gesicht.“

So haben Dutzende „Einstein“-Schülerinnen und -schüler einen ganz anderen Schulalltag als gewöhnlich in den zurückliegenden zwei Wochen erlebt, viele zwischenmenschliche Begegnungen gemacht, die enorme Belastung und Arbeitsbedingungen ihrer sozialen Berufe kennengelernt. Und nicht zuletzt die wichtige Erfahrung gemacht, was man selbst mit eigenem Handeln auch Positives erreichen kann in einem sozialen Beruf.

[HBR]