Geschichte pur – „Einsteiner“ auf Studienfahrt in Berlin

Die Sommerferien waren gerade zu Ende gegangen, da zog es einen Teil der Schülerschaft am Einstein-Gymnasium wieder in die Ferne: Die Schüler*innen der Jahrgangsstufe 2 brachen vor den Mühen des letztens Schuljahres zur traditionellen Bildungsreise auf. Die Studienfahrten führten dieses Mal nach Berlin, Paris und Marseille. Die größte Gruppe machte sich in die deutsche Hauptstadt auf und bezog direkt gegenüber dem Ostbahnhof ihr Hotelquartier, das im Namen zu Recht den Zusatz „Berliner Mauer“ trug. Denn in unmittelbarer Nähe verläuft die East Side Gallery, ein verbliebener Abschnitt des Grenzwalls, der nach der Wende von Dutzenden Künstlern aus über 20 Ländern malerisch gestaltet wurde und zahllose Selfie-Motive auch für Schüler*innen liefert.

Nach einem kurzen Aufenthalt machte sich die Gruppe aber zunächst nach dem Motto „Ick jehe raus und kieke“ auf den Weg nach Berlin Mitte, über den berühmten Alexanderplatz mit der Weltzeituhr und auf engem Raum markante Sehenswürdigkeiten wie das Rote Rathaus und den Berliner Dom passierend zum Brandenburger Tor. Das bekannte Wahrzeichen und ehemalige Stadttor Berlins war tags zuvor bei einer Protestaktion der „Letzten Generation“ orange eingefärbt worden, womit alle Fotos einen besonderen zeitgeschichtlichen Stempel erhielten. Ab hier stand der restliche Spätnachmittag und Abend zur freien Verfügung und es galt für die Einsteiner*innen, sich spätestens bei der Rückkehr zur Unterkunft im Labyrinth des Berliner Nahverkehrs zurechtzufinden.

Geballte DDR-Geschichte stand am kommenden Tag auf dem Programm: Auf dem heutigen Grünstreifen und offenen Gelände an der Bernauer Straße lädt eine eindrucksvolle Außenausstellung dazu ein, die Teilung Deutschlands und die Schicksale sowie Fluchten zahlreicher Menschen rund um den Mauerbau nachzuvollziehen. Hier verlief die Mauer unmittelbar an den Häuserfassaden, deren Fundamente freigelegt oder im Boden heute wieder nachgezeichnet sind. An Hörstationen kann man Zeitzeugen lauschen, Bilder verdeutlichen die historische Situation vor Ort und an der Stelle der noch in den 1980er Jahren gesprengten Versöhnungskirche steht nun eine Kapelle. Vom nahegelegenen Turm des Dokumentationszentrums aus konnten die Schüler*innen noch auf einen Mauerabschnitt einschließlich der damaligen Grenzanlagen blicken. Unkompliziert zugänglich und sehenswert war ebenso die Dauerausstellung am Bahnhof Friedrichstraße, im sogenannten „Tränenpalast“. Hier in der damaligen Abfertigungshalle zur Ausreise nach Westberlin fanden zu DDR-Zeiten täglich schmerzvolle Abschiedsszenen statt. Eine Original-Kontrollkabine vermittelt aber auch Eindrücke der damaligen Überwachung und Schikanen der Kontrolleure. Die unmittelbare Nähe zur Spree nutzte die „Einstein“-Gruppe danach zu einer Schifffahrtstour im Sonnenschein sowohl Richtung Regierungsviertel als auch zum Nikolai-Viertel.

Nach einer intensiven Führung am kommenden Morgen durch das berüchtigte Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen führte der nächste Programmpunkt die Schüler*innen einerseits in die politische Gegenwart, zugleich wieder in die Historie: Mit Wolfgang Schäuble, der den Wahlkreis Offenburg als direkt gewählter Abgeordneter seit 1972 vertritt, stand den „Einsteinern“ nicht nur der dienstälteste Abgeordnete der Parlamentsgeschichte zum Gespräch bereit. Schäuble wirkte auch entscheidend an der Deutschen Einheit mit und trug überdies mit einer Rede im Bonner Bundestag dazu bei, dass Berlin Hauptstadt wurde. Lebhaft und offen beantwortete Schäuble die Fragen der Schüler*innen, sei es zum Einigungsvertrag zwischen BRD und DDR oder zur politischen Gegenwart, wie etwa die CDU sich zur AfD verhalten solle. Am Abend rundete ein unterhaltsamer Informationsvortrag auf den Zuschauerrängen des Deutschen Bundestags den Tag ab, wobei der Redner gekonnt einen Bogen von der Geschichte des Reichstagsgebäudes zur Sitzordnung im Plenum und politischen Gegenwart schlug. Beim anschließenden Kuppelbesuch konnte die Hauptstadt schließlich bei Nacht überblickt werden.

Noch weiter in die deutsche Geschichte reichte das Programm am folgenden Tag, wobei der Besuch des Holocaustmahnmals verbunden war mit einer Führung durch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die sich im historischen Bendlerblock befindet. Die Führung widmete sich allerdings nicht nur Stauffenberg und den Attentätern des 20. Juli, sondern auch teilweise weniger beachteten Gruppen und Persönlichkeiten wie dem Jugendlichen Helmuth Hübener. Am Nachmittag hatten die Schüler*innen dann die Wahl zwischen unterschiedlichen Museen, die von den vier begleitenden Lehrern angesteuert wurden. So führten die Wege je nach Interesse ins Pergamonmuseum, ins Museum für Fotografie, ins Jüdische Museum oder ins Computerspielemuseum. Wahlmöglichkeiten bestanden teilweise auch beim Abendprogramm, wobei alle Schüler*innen zum Kabarett ins Traditionshaus „Die Distel“ einliefen. Daneben standen entweder das Theaterstück „Beyond Caring“ der Schaubühne zur Auswahl oder große Gesangskunst mit „Macbeth“ in der Staatsoper. Dass es am Abfahrtstag regnete, störte niemanden mehr, denn drei sonnen- und erlebnisreiche Tage in der Hauptstadt lagen hier bereits hinter der „Einstein“-Gruppe.

[Hbr]